Samstag, 11. Mai 2013

Herzchen? Hier irrt Aristoteles!




12. Mai 2013 Muttertag


Heute ist wieder so ein Herzchen-Tag! Folgerichtig wirft auch der Wortwerfer das Herz in den Blog. Valentinstag, Muttertag, Hochzeitstage … lauter Herzchentage! Hallo, ihr Kardiologen, habt ihr schon mal in der Pumpe so was wie Liebe gefunden?
Wie komme ich da jetzt auf Aristoteles (384 - 322 v. Chr.)? Er, der Größte neben Platon  und Sokrates hat die Geisteswelt des Abendlandes unzweifelhaft enorm bereichert. Gilt er doch als der Vater der Logik. Und es gibt kaum ein Gebiet der antiken Wissenschaften, in dem er sich nicht getummelt hätte: Rhetorik, Dichtkunst, Staatskunst, Philosophie, Physik und .... ja Biologie. Da beginnt unser Problem, das uns Heutigen noch schwer zu Herzen geht.
Der Philosoph, Wissenschaftler und Arzt Hippokrates - auch er ein Grieche - hatte rund 200 Jahre vor Aristoteles in seinem Werk „Corpus Hippocraticum“ nämlich Folgendes kund und zu wissen gegeben:
„Ich glaube, dass das Gehirn eine sehr große Macht im Menschen besitzt .... Die Menschen müssen wissen, dass von nirgends anders her Freude und Frohsinn, Lachen und Scherzen kommen als daher, woher auch Trauer und Kummer, Missmut und Weinen herrühren.
Durch dieses Organ denken, sehen und hören wir und beurteilen das Hässliche und das Schöne, das Schlechte und Gute, das Angenehme und Unangenehme ....
Durch eben dieses Organ geraten wir aber auch außer uns, treten Ängste und Schrecken an uns heran, ebenso Träume, unzeitige Irrtümer, unbegründete Sorgen ....
Das Gehirn verstehen heißt, die Natur des Menschen verstehen.“*
Papperlapapp, meinte Großmeister Aristoteles zweihundert Jahre später. Hahaha - das Gehirn ist vielmehr eine Art Kühlaggregat, mit einer riesigen Oberfläche und vielen Kühlrippen ausgestattet, um das im Herzen erhitzte Blut abzukühlen. Dafür sei es ja unter der Schädeldecke gut und luftig aufgehoben, und durch die Fontanellen könnte es sozusagen auch Dampf ablassen. So behält man bis in die heutigen Tage einen kühlen Kopf - sic!
Alles aber, was Hippokrates dem Gehirn zu- und angemutet habe, finde vielmehr im Herzen statt. Das Herz sei sozusagen die Schaltzentrale für alle unsere Gefühle, sei der Ort unserer Sinne und Seele und überhaupt. Was leider falsch ist.
Und weil der Prominentere unter den Prominenten immer Recht behält, grüßen wir uns heute herzlich, haben uns von Herzen gern (oder nicht). „Dein ist mein ganzes Herz“ singt der Tenor (und nicht der Organspender). Wir schütten unser Herz aus und verlieren es in Heidelberg. Es könnte auch herzzereißend zugehen. An Muttertagen überschwemmen uns Myriaden von Herzen und Herzchen aus allen verfügbaren Materialien. Auch das Oktoberfest und die Lebkuchenbäcker stünden doof da. Die Liebe käme ohne Herzen in arge Verdrückung.
Man stelle sich mal vor, Hippokrates hätte sich – mit Fug und Recht! - gegen Aristoteles durchsetzen können und wir hätten uns gehirnlich gern, wir grüßen gehirnlich und verzierten Muttertagsgebinde mit knuddeligen Gehirnchen. „Dein ist mein ganzes Gehirn“ .... schmettert der Tenor - und hätte auch noch Recht!
Aristoteles muss sich immerhin anrechnen lassen, dass er die Gehirnforschung um sage und schreibe 2000 Jahre in Verzug gebracht hat. Aber so ist es nun mal, wenn man Prominenz mit Kompetenz gleichsetzt. Oder - um es mit Aristoteles zu formulieren: „Es gibt kein Genie ohne einen Schuss Verrücktheit!“
Schönen Muttertag noch! wünscht der Wortwerfer.

*)zitiert nach Rolf W. Schirm „Die Biostruktur-Analyse“, Baar 1990

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