Nein zu
sagen gegenüber jemandem, der etwas von einem will, das man selber nicht will
oder aus irgendwelchen Gründen nicht kann oder glaubt, nicht zu können, fällt
offensichtlich einer großen Anzahl von Menschen sehr schwer. Der WORTWERFER hat
fb-Freunden versprochen, hier in seinem Blog eine Handreichung anzubieten, die
bereits mehrfach an anderer Stelle auf Beifall gestoßen ist – auch wenn der
Text jetzt trotz Kürzungen etwas länger ausfällt.
Wer nicht
Nein sagen kann, halst sich dabei u.U. Arbeiten und Leistungen auf, die seine
Gesundheit oder sein Wohlbefinden beträchtlich gefährdet. Den fehlenden Mut,
die fehlende Bereitschaft zum Nein bezahlen sie mit Dis-Stress, mit Opfern und
persönlichen Einschränkungen, mit Unbehagen und Ärger (über den anderen und
über sich selbst). Dennoch vermögen sie nicht, zum richtigen Zeitpunkt Nein zu
sagen. Psychologen vermuten daher, dass
die Lust am Ja-Sagen, offensichtlich
größer sein muss, als das in Kauf genommene Leid. Dieses Unvermögen, zum
richtigen Zeitpunkt und in der angemessenen Situation dem Wunsch eines Dritten
ein höfliches, aber entschiedenes Nein entgegenzusetzen, hat sehr komplexe
Ursachen. Allein mit anderen Ausdrucksmöglichkeiten das Nein für den anderen
erträglicher, akzeptabler zu machen, löst das Problem sicherlich nicht, obwohl
eine gewandte, gute Kommunikation das Neinsagen wesentlich erleichtern kann.
Die
Erziehung zum "Ja, gern"
Wird man
sich einmal bewusst, wem gegenüber uns das Nein so schwer fällt, so ist dies in
erster Linie natürlich der Chef, so wie es früher die Eltern oder andere
Erziehungsberechtigte waren, ganz davon abgesehen, was ein Nein gegenüber einer
Lehrperson bedeutet hätte. Damals wie heute gilt es, jemandem, der hierarchisch
höher eingestuft ist und über die Macht verfügt, Sanktionen - also Strafen - zu
verhängen, zu Gefallen zu sein, sei es aus Angst vor eben diesen Strafen, oder
aber auch, um Belohnungen irgendwelcher Art zu ergattern. Das "Ja" ist eine Art Münze, mit der wir Tribut zollen, den
Obertan gütig stimmen oder Gegenleistungen erkaufen wollen.
Erinnern wir
uns noch, wofür es Ohrfeigen, Fernsehverbot, Stubenarrest oder
Taschengeldentzug gab? Erinnern wir uns noch, wofür es Bonbons, Kinogeld oder
längeres Aufbleiben gab? Wie sehen entsprechende
Zuckerbrot-und-Peitsche-Maßnahmen im beruflichen Leben aus? Das
"Zuckerbrot" könnte die Gehaltserhöhung, der Extra-Urlaubstag sein,
oder auch nur ein freundliches Gesicht. Die "Peitsche" pfeift nicht
nur, wenn all dies verweigert wird. Überstunden werden ohne jede Rücksprache
verhängt. Jeder Mitarbeiter kennt das Repertoire eines verstimmten Chefs.
Natürlich darf auch das allgegenwärtige Gespenst des Vorwurfs der
"Arbeitsverweigerung" nicht unerwähnt bleiben.
Ist es da
nicht selbstverständlich, statt eines eigentlich erforderlichen Nein Ja zu
sagen? Ist es dem Selbst wirklich
verständlich? Oder zieht sich dieses Selbst nicht nur schmollend auf einen
anderen Kriegsschauplatz zurück? Zum Beispiel auf die psychosomatische Ebene,
wo alsbald Organe angegriffen, Muskeln verkrampft, Immunkräfte gemindert
werden. Das heruntergedrückte Nein macht sich eben dort unten bemerkbar.
"Unterdrückt" heißt ja nicht, dass es aufgehört hätte zu existieren. Wer
in seiner Kindheit lernen musste, das Nein gegenüber einem Obertan wohlweislich
zu unterdrücken, hat es später schwer, den heute auftretenden Obertanen
gegenüber das Nein zu wagen. Wer nicht Nein sagen kann, vermeidet diese
Abweisung eines Wunsches meist aber auch gegenüber Menschen, die wir gar nicht
als Obertan empfinden: gegenüber Kolleginnen und Kollegen, gegenüber Freunden
und Freundinnen, gegenüber dem eigenen Mann, der Frau, den Kindern, ja, auch
gegenüber uns völlig gleichgültigen Dritten. Haben wir hier nur Angst vor Liebesentzug oder ist auch dies eine Spätfolge
der Erziehung?
Auszuschließen
ist das ganz und gar nicht. "Du musst immer schön lieb sein!" - "Sei stets Deines Nächsten Freund!"
- "Einer trage des anderen Last!" - "Liebe Deinen Nächsten wie
Dich selbst!"(wobei die letzten drei Wörter nicht sonderlich gewertet
wurden). Natürlich wurzelt das tief im christlichen Gedankengut. Auch in
unserer fast areligiösen Gesellschaft kommt dem Vorbild Christi eine große
Wirkung zu: Er opferte sich auf für die anderen, für die Menschheit. Sich für
die anderen aufopfern, das ist für viele und gerade für Frauen und Mütter, eine
Art "Belohnung". Sie fühlen
sich in dieser Opferrolle einfach wohler als in der Rolle des
ego-orientierten Neinsagers, ganz im
Sinne der eingangs erwähnten Psychologen-Ansicht.
Okay - oder
nicht okay?
Wer sich mit
der Transaktions-Analyse befasst, Bücher von Thomas Harris, Eric Berne oder
anderer TA-Autoren gelesen hat, weiß, was sich hinter dieser
Zwischenüberschrift verbirgt. Man muss aber diese Bücher gar nicht kennen, um
selber einschätzen zu können, ob man sich eher zu jenen Menschen zählt, die auf
der Sonnenseite des Lebens gehen, oder zu jenen, die regelmäßig vom Pech
verfolgt sind. Wer seit seiner frühen Kindheit mit einem solchen im Prinzip
nicht löschbaren "Lebensdrehbuch"
des Nicht-Okay lebt, sich also eher mies fühlt als gut, soll der sich durch
ein angemessenes Nein noch mehr Ungemach aufladen? Wird er nicht
verständlicherweise Ja auch zu solchen Anforderungen anderer sagen, die ihn in
eine unerfreuliche Situation bringen? Nachteile, Misserfolge, Schlechtes im
Leben erwartet er ja ohnehin. Sein
Nicht-Okay klebt ja wie sein Schatten an ihm. Wenn auch kaum jemand ein
totaler Nicht-Okay-Typ ist, so liegt auch hier eine Disposition für die
Opferrolle vor. "Mit mir kann man es ja machen!" Schon mal gehört?
Besonders
gefährdet sind auch die "Bedingt-Okay-Typen",
die in unserer Gesellschaft in der Überzahl sind. Menschen mit einem
"Bedingt-Okay"-Drehbuch werden geprägt durch permanente
Satzeröffnungen wie "Wenn du das tust, bist du lieb!" und die
ständige Verknüpfung von Liebe und Lob mit erbrachter Leistung. Die Kehrseite
ist Liebesentzug für die verweigerte oder nicht erbrachte Leistung. "Du
bist ein böses Kind, weil du der Mutti nicht geholfen hast, weil du nicht
aufgeräumt hast, weil du nicht, weil du nicht ....." Viele von uns haben so
gelernt, hundertprozentig sein zu müssen, um die Sonne des Wohlwollens über
sich aufgehen zu lassen. Diese Sonne ist
aber sehr flüchtig. Rasch verbirgt sie sich wieder hinter den Wolken der
Nichtbeachtung und Ermahnungen. So hasten diese Menschen von einer Gefälligkeit
für andere zur nächsten. Zynische Menschen nutzen diese Disposition eines
anderen häufig eiskalt aus. Sie reagieren bewusst herzlos, gewähren kein Lob,
setzen eine strenge Miene auf, auch wenn sie objektiv dazu keine Veranlassung
hätten. Sie spekulieren darauf, dass die
"Bedingt-Okay-Mitarbeiter(innen)" nun noch mehr Sorgfalt, noch mehr
Fleiß, noch mehr Einsatz zeigen, weil sie glauben, immer noch zu wenig zu
leisten. Leider gibt es nicht wenige solcher Chefs.
Sind nun die
Okay-Typen die mutigen Nein-Sager? Aber auch sie ziehen sich selbst
Fallstricke. Ihr Selbstvertrauen, ihre Grundhaltung
"Ich-schaffe-das-schon!", verleitet sie, auch dann Ja zu sagen, wenn
ein Nein sinnvoller gewesen wäre. "Legen Sie’s nur drauf!" heißt es
im Alltag. "Irgendwie bringe ich das auch noch unter!"
Was passiert
uns eigentlich, wenn wir Nein sagen?
Wie sicher
sind uns die Sanktionen? Wie sicher ist uns der Lohn für das unangemessene Ja?
Manche Menschen haben ein ausgeprägtes Talent, das Schwarze vom Himmel zu
holen. Häufig sind das hausgemachte Projektionen, ja, dahinter spiegelt sich in
vielen Fällen eine ausgeprägte Form der Aggression gegen sich selbst. Es sind
Selbstbestrafungs-Phantasien, die natürlich wiederum ihren Ursprung in der
frühkindlichen (Ver-)Prägung und Erziehung finden. Die Frage "Haben Sie's
schon mal probiert?" löst entgeistertes Kopfschütteln aus. "Das
brauche ich gar nicht erst zu probieren. Ich weiß auch so ganz genau, was
passiert!" lautet häufig die Antwort.
In der Tat
sollten Sie, um später wirklich gewinnend Nein sagen zu können, mit Ihrem Chef
oder anderen infrage kommenden Personen zu einem neutralen - also nicht zum
aktuellen - Zeitpunkt über dieses Problem sprechen. Sagen Sie ihm/ihr doch "Ich habe ein Problem, das bringt mich
noch einmal um. Ich kann Ihnen einfach nicht, und wenn es zehnmal
gerechtfertigt wäre, eine zusätzliche Belastung ablehnen! Ich möchte das einmal
jetzt in aller Ruhe mit Ihnen besprechen ..." Wetten, dass viele Chefs
ihren Sekretärinnen antworten würden, dass sie auch nicht Nein sagen können, ja
nicht einmal dürfen, nicht gegenüber ihren Chefs und nicht gegenüber Kunden,
obwohl auch sie sich insgeheim wünschten, nicht zu allem Ja und Amen zu sagen?
Solch ein Gespräch zur geeigneten Zeit baut die Brücken, über die man später
ungefährdeter gehen kann.
Was ist ein
"angemessenes Nein"?
Angemessen
ist ein Nein stets dann, wenn die verlangte Leistung - über Ihre Kräfte geht
und Ihre Gesundheit gefährdet ist; nicht zu Ihrem Aufgabenbereich gehört; wenn
das Ansinnen schlicht unethisch ist; wenn durch die Erfüllung des Ansinnens
andere, für Ihr Leben wichtige Vorhaben und Aufgaben dauerhaft verhindert
werden; wenn das Ansinnen mit einer Verpflichtung kollidiert, die Sie
regresspflichtig machen würde oder einer öffentlichen Blamage aussetzt.
Angemessen ist das Nein, wenn das Ansinnen von jemandem vorgebracht wird, der
Ihnen sozusagen "gar nichts zu sagen hat" und über den Rahmen einer
höflichen Gefälligkeit hinausgeht.
Diese
Aufzählung sagt natürlich auch, welche Gründe für ein Nein als unangemessen
angesehen werden: keine Lust, kein Einsehen, Sturheit, Bürokratismus,
Müdigkeit, wenn Ihnen "schon der Ton" auf die Nerven geht oder Sie
eine Antipathie gegen denjenigen hegen, der berechtigt seinen Wunsch bei Ihnen
vorbringt.
Nein sagen kann man auf sehr nette Weise
Das barsche
Nein ist sicher nicht geeignet, ein gutes Klima zu schaffen. Es ist auch
selten. Wer jemals an Kommunikations-Seminaren teilgenommen oder entsprechende
Bücher gelesen hat, kennt die Zauberkraft der "authentischen
Ich-Botschaft":
"Ich
ärgere mich selbst, dass ich Ihnen jetzt diesen Wunsch nicht erfüllen kann
..."
"Ich
überlege die ganze Zeit, wie ich es wohl möglich machen könnte, habe aber noch
keine Lösung gefunden ..."
"Ich
weiß, dass Sie im Druck sind und kann mich, glaube ich, sehr gut in Ihre Lage
versetzen, aber sehen Sie selbst: Es geht nicht!"
"Ich
würde Ihnen viel lieber eine Zusage geben, aber es wäre Ihnen und mir gegenüber
verantwortungslos. Ich kann es Ihnen gegenüber nicht verantworten, die Arbeit
nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erledigen zu können ..."
In der
Verbindung mit einem weiteren Königsweg guter Kommunikation könnten wir es auch
zur Meisterschaft im Nein-Sagen bringen. Dieser
Königsweg heißt: fragen, fragen, fragen! Geben Sie so den Ball zurück:
"Wieviel
Zeit ist Ihrer Meinung nach mit dieser Aufgabe verbunden? Wann, glauben Sie,
könnte ich bei meiner Belastung soviel Zeit erübrigen?"
"Ich
glaube gern, dass Ihnen Ihr Anliegen auf den Nägeln brennt. Aber welche
Priorität räumen Sie ihr ein angesichts dieser und dieser und dieser
Arbeit?"
"Kennen
Sie nicht auch die Situation, wo effektiv nichts mehr geht? Wie gehen denn Sie
damit um? Wenn ein Glas voll ist, ist es voll - wie wollen Sie noch mehr darin
unterbringen?"
Stets
bewährt es sich, das Nein gut zu begründen. Man kann eine Arbeitsliste
vorlegen. Es ist nachteiliger, pauschal auf einen Berg Arbeit zu verweisen, als
im einzelnen ein paar konkrete Projekte aufzuzählen.
Warten Sie mit Gegenvorschlägen auf! Versuchen Sie, Ihren Bittsteller in ein
gemeinsames Problemlösungsgespräch zu integrieren, in das jeder seine
Vorschläge einbringen kann. Motto: Wie könnten wir gemeinsam die Kuh vom Eis
holen?
Wo verbale
Formen des Neinsagens versagen, sollte man auch nonverbale Mittel und Wege
versuchen. Ein Schild "Land unter!" oder "Wegen Überfüllung
geschlossen!" kann das Problem humorvoll lösen helfen.
Will man aus
alledem eine Grundregel herausarbeiten, dann am ehesten diese:
Umgeben Sie
Ihr angemessenes Nein mit einer sympathischen Beziehungsbotschaft!
Auch das ist
für alle, die an guten Kommunikations-Seminaren teilgenommen haben, nichts
Neues: Die Beziehungsbotschaft (die stets in einen Satz beide Gesprächspartner
einbezieht), ist wichtiger als die Sachaussage.
"Ich
würde Ihnen gar zu gern helfen ....."
"Sie
wissen, dass ich sonst alles für Sie möglich mache ....."
Ihre Angst,
mit einem Nein eben diese Beziehung zu belasten, kann dadurch erheblich
gemindert werden. Ja, Sie können durch ein gekonntes Nein sogar gewinnen, indem
Sie es als Gelegenheit nutzen, den anderen Ihres Engagements stets dann, wenn
es Ihnen möglich ist, auf liebenswerte Weise zu versichern. Der WORTWERFER
konnte einfach nicht NEIN sagen!