Freitag, 11. Oktober 2013

Lesen: 4 minus!



Lesen: 4 minus!
Deutsche zwischen 16 und 65 landen beim Verständnis überwiegend leichter Texte im internationalen Vergleich von 24 Kulturnationen nur auf dem 17 Platz, weit unter dem Durchschnitt. Das ist aus dem ehemaligen Land der Dichter und Denker geworden. Wie kann das passieren?
Ingrid Schumacher und der WORTWERFER haben 2012 im Buch „Supermacht Kids / Lassen wir uns unsere Kultur kaputt machen? auf mehrere Ursachen hingewiesen. Unter anderem heißt es da:
„Die Schule setzt die Ansprüche an die Kenntnis und Praxis der Hochsprache herab. Der Grund: Immer weniger Kids … schreiben fehlerfreie Klassen- und Hausaufgaben. Eine wachsende Zahl von Schülern und Schülerinnen beherrscht die Rechtschreibung und Zeichensetzung nicht. Ihnen unterlaufen nach den traditionellen Anforderungen in den Klassenarbeiten so viele Fehler, dass die Arbeiten nach den Vorgaben der Kultusministerien nicht anerkannt werden können. Was tun? Die Antwort: milder zensieren! Manche Fehler nicht in die Zensur einbeziehen! Quasi wird die Entscheidung, mehr oder weniger zu lernen, an die Kids übertragen. Kids! Wollt Ihr lieber mehr und anstrengender lernen oder weniger und leichter? Wir von der Kultusbehörde richten uns nach Euch! ….
Sogar Chefs können kein Deutsch mehr!
An Hochschulen dürfen schon lange nicht mehr Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler in Prüfungsarbeiten, Diplomarbeiten und Dissertationen in die Begutachtung einbezogen werden. Das Resultat beklagen Sekretärinnen in fast sämtlichen Instituten, Organisationen und Unternehmen: Ihre Chefs beherrschen kein Deutsch, was sich nach der Rechtschreibreform noch verschlimmert hat. Sie benötigen wie in früheren Zeiten „Schreiber/innen“, die ihre Briefe und Texte fehlerfrei tippen.
Mit dem Schreiben stirbt das Lesen - und umgekehrt
Unternehmen, die händeringend nach Lehrlingen suchen, klagen über mangelnde Grundkenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Schule wird ihren Ansprüchen nicht mehr gerecht. Azubi sollten „fachlich Auszubildende“ sein, nicht solche, denen man zunächst einmal die erforderlichen einfachen Grundkenntnisse beibringen muss, damit sie Anleitungen lesen und verstehen, damit sie in ganzen Sätzen antworten können und einfache Rechnungsarten fehlerfrei beherrschen; denn jeder Fehler führt zu teurem Ausschuss, zu Verlusten. Wer nicht lesen kann, kann nicht gebildet werden, kann auch nicht aus-gebildet werden.
Jedoch auch das Lesen stirbt aus, wenn auch von der Leipziger Buchmesse 2012 ein Ansturm von Jugendlichen gemeldet wurde. Welche Kids waren dies? Die Antwort fällt leicht: Jene, die von Kind auf Lesen gelernt und Bücher als selbstverständliche Lebensbegleiter wahrgenommen haben. Dies sind auf die Gesamtzahl der 8 bis 18jährigen immer weniger. Mehr und mehr leben als „digital natives“ in der Computer-Welt, kurz und flüchtig, in einer Welt der Animationen. Auch Comics und Mangas mit ihrer Sprechblasen-Kultur müssen in diesem Zusammenhang erwähnt werden.
Was jedoch von Kindheit an nicht gelernt und permanent angewendet wird, bildet sich im Gehirn zurück. Jeder kann das an sich selbst prüfen. Welche anspruchsvolleren Rechnungsarten beherrscht er noch? Wie zum Beispiel das Wurzelziehen mit Papier und Bleistift? Der schnelle Griff zum Taschenrechner hat die Fähigkeit im Gehirn verkümmern lassen. Das geschieht auch bei vielen Kids mit dem Lesen und dem Schreiben. Später verkümmerte Fähigkeiten wiederzubeleben, ist außerordentlich schwer, vor allem, wenn es der Laptop, das iPad und eine Flut von weiteren elektronischen Apparaten soviel leichter macht.“
Ein ehemaliger Gymnasialdirektor, der „Supermacht Kids“ gelesen hat, gratulierte gestern anlässlich eines Empfangs dem WORTWERFER zu dieser – leider – sehr zutreffenden Analyse unserer gesellschaftlichen Situation.
Wenn es nun um die Bildung der Erwachsenen in Deutschland schon so schlecht bestellt ist, wie soll sich dann die Jugend entwickeln? Und wie könnte sich jemals wieder etwas zum Besseren wenden? fragt SIE der WORTWERFER?

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Liebe und Urvertrauen in die Tonne?




Fragen wir heute Kinder im Alter von 8 Jahren aufwärts, was ihnen spontan einfällt, wenn sie das Wort „Liebe“ hören, dann drucksen sie allenfalls rum, sofern sie nicht kichernd sofort „Sex“ nennen. Liebe ist abgestempelt als ein romantisches Relikt, gehört in kitschige Filme von Rosamunde Pilcher. Verliebt sein ist identisch mit verknallt sein, und es vergeht wieder wie ein Knall. Wer wagt es - und was brächte es - mit Kids über wahre Liebe, über Urvertrauen zu sprechen? Die Mutter mit dem schier zusammengebrochenen Teenager, von dem sich der Freund, die Freundin getrennt hat - per SMS? Können Tausende Facebook-Freunde Urvertrauen schenken? Schon die Frage ist absurd.

Dokumente der Liebe - ab in den Reißwolf?
Was ist passiert? Die Leiden des jungen Werther? Das in seinem Tiefsten getroffene Gretchen im Kerker? Regale voller Romane, Tragödien, Lyrik, geboren aus tiefstem Liebesempfinden, Regale, die schier bis ins Unendliche reichen, stürzen ab in die Musealität, Zigtausende dieser Liebesdokumente wandern in Papiertonnen und den Reißwolf. Niemand will sie mehr haben, weil sie niemand mehr versteht.
Die unverbrüchliche Liebe, durch Dick und Dünn, scheint wie weggespült. Sartre soll gesagt haben: „Ich liebe dich, heißt, ich will dereinst auch deinen Rollstuhl schieben!“
Ja, hallo, hast du noch alle? Das ist vorbei, vergangene Zeiten! Das wird irgendein Zivi oder sowas ähnliches besorgen, finanziert von der Pflegeversicherung. Oder ich bringe mich vorher um. Mich an jemanden binden, bloß weil ich Sex will oder versorgt werden, eine warme Bude vorfinden will? Wozu eine Kuh kaufen, wenn ich doch an jeder Ecke ein Glas Milch haben kann?“ ist ein typischer Ü-Kids-Spruch.

Liebe ist Urvertrauen - Urvertrauen ist Liebe
Nun geraten auch die meisten Erwachsenen in Verlegenheit, wenn man sie bittet zu definieren, was sie unter Liebe verstehen. Es ist sicher stark verkürzt, aber bedenkenswert, zu formulieren: Liebe ist Urvertrauen. Wer sein Kind liebt, schenkt ihm Urvertrauen, so lange es geht.
Manchen Lesern sind vielleicht die Gänsefüßchen am Anfang und Ende des vorigen Textes aufgefallen. Der WORTWERFER hat zitiert, und zwar aus dem Buch „Supermacht Kids / Lassen wir uns unsere Kultur kaputt machen?“ (München 2012) von Ingrid Schumacher† und Werner Siegert.
Liebe und Urvertrauen sind tragende Säulen unserer Kultur. Verschwindet eins oder beides aus unserm Alltag, geht unsere unter Schmerzen, Opfern, Niederlagen und Katastrophen in Jahrhunderten geborene Kultur verloren. Unwiederbringlich! Was ist zu tun?
„Willst du eine Nation zerstören, muss du ihre Familien zerstören!“ lautet der zynische Rat an machtgierige Herrscher. Dass die Evangelische Kirche Deutschlands 160 Seiten benötigt, um zu definieren, was evangelische Christen unter „Familie“ zu verstehen haben, markiert diesen Zerfallsprozess. Dass es wichtiger ist, die Mutter wieder an die Werkbank oder den Schreibtisch zu bringen, als dem Kind in den wichtigsten ersten drei Lebensjahren Liebe und Urvertrauen zu schenken, lässt die Frage aufkommen: Wer will da unser Land zerstören? Zerstört es sich am Ende selbst durch Werteverlust? Ist es die Supermacht der Ü-Kids, die sich durch eben diese Werte ü-berfordert fühlen. Macht kaputt, was euch kaputt macht?
Wollen Sie mehr darüber lesen? „Supermacht Kids“, www.signumverlag.de