Die Hohe Schule des kreativen
Schreibens
Diesmal fordert das Thema
alles vom WORTWERFER, und zwar soviel, dass er selbst nicht in der Lage wäre,
den ausbedungenen Ansprüchen zu genügen.
Es geht um eine ganz
spezielle Hohe Schule kreativen Schreibens, nämlich das Texten von Sommerschlussverkauf-Katalogen. Also von Katalogen, in
denen all die Ware angepriesen werden muss, die bisher von potenziellen Käufern
geschmäht wurde. Und zwar in den höchsten Tönen, getrieben geradezu von lärmendem
Unverständnis, weshalb diese federleichte, superbequeme, superleichte mit
Regenschutz und Klimakomfort ausgestattete Ware von hohem Freizeitwert mit
einzigartigem Kühlungskomfort durch Powerfasern nunmehr zu SSV-Preisen nochmals
angepriesen werden muss. Sozusagen Perlen
vor die renitenten Kunden werfen.
Der WORTWERFER hat nur mal
einen Moment versucht, sich in die Lage des kreativen Texters zu versetzen, der
all diese Hymnen zu verfassen hat. Im Geist verfolgt er diesen armen Kerl oder
sei es eine beflissene Texterin, wie er oder sie an den noch üppig gefüllten
Regalfächern zusammen mit den Lagerarbeitenden entlang schreitet, um sie zu
interviewen. „Warum müssten eigentlich
unsere Kunden darauf brennen, gerade diese Badehose zu kaufen? Wie kann ich
ihre Vorzüge richtig zur Geltung bringen?“ „Nun, sie ist hautfreundlich,
schnelltrocknend, anschmiegsam!“ „Hat sie besonders modischen Schick?“ „Modisch?
Nein, sie ist eher retro im Schritt, nein, ich meine im Schnitt, mit den
seitlichen Kontrast-Paspelierungen und elastischem Softbund mit Kordelzug. Damit macht man am Strand und am Pool eine
gute Figur!“ Supertext. „Aber mal
unter uns, ganz im Vertrauen: Ich würde mir diese Lachnummer nicht kaufen!“
Schnappatmen. Gehen wir heldenhaft weiter zum nächsten Regal mit der ultraleichten,
schattenspendenden Kappe mit hervorragendem Sonnenschutzfaktor … und weiter …
und weiter ….Es müssen noch über 120 Artikel so angedichtet werden, dass Frau oder
Mann begeistert zum Telefon greifen.
Das, meine lieben Leserinnen
und Leser, erfordert eine ganz andere Klasse von Hoher Schule des kreativen
Schreibens. Solche Kräfte werden wohl bei Werbe-Agenturen geradezu als Stars angehimmelt*.
Fordert Sie, die Autoren, so eine Aufgabe nicht mehr heraus als die weltweit
noch nie geschilderte Art, jemanden umzubringen und dabei über 560 Seiten den
pfiffigsten Kommissaren auf der Nase herumzutanzen, unterbrochen von Sex- und
Saufszenen mit mafiösem Lokalkolorit? Wahlweise eine ganz neue Galaxis zu
erfinden mit gruseligen Monstern, die einer blonden Unschuld nach dem Jungfernhäutchen
trachten.
Da ist ein maritimes
Poloshirt mit Brusttasche und Zierstickerei, wunderbar glatt, weich, langlebig,
formtreu, temperaturausgleichend in kombistarkem Weiß oder Rot, hochwertige
Interlock-Qualität, Knopfleiste mit Kontrastverarbeitung, besticktem
Ärmelbesatz und Seitenschlitzen, mit fleckabweisendem Lotuseffekt, selbstverständlich
maschinenwaschbar, eine ganz andere Herausforderung. In dieser Ausführlichkeit
nur annähernd von Martin Walser erreicht, der ein solches achtlos zur Seite
geschleudertes Gewand über der lilagestreiften Ottomane in einem von
kleingeblümter Tapete beherrschten Vestibül feinsinnig ortet, und so den Blick
vom abgetretenen, stellenweise sogar bereits in zerfaserten Fäden
zerschlissenen Teppich ablenkt (stark gekürzt).
Wobei der SSV-Katalog-Poet
das Bruttosozialprodukt wahrscheinlich wirksamer steigert als ein auf einer
Möhre rumkauender, Ideen erflehender eBookler. Vermutet neidvoll der
WORTWERFER, der den Sirenenstimmen der kreativen Anpreiserinnen kaum zu
widerstehen vermag, zumal es ja noch eine Gratis-LED-Taschenlampe mit 300 m gebündeltem
Strahl, Nasa geprüft, Batterien incl., dazu gibt. Nicht auszudenken, man
könnte so einen Katalog-Super-Fuzzy mal für den Klappentext eigener Werke
gewinnen.
*) Höre gerade, dass mit Vorliebe unbezahlte Praktikanten in diese Hölle geschickt werden.