Sonntag, 17. August 2014

Scrum? Die „neue Sau“ in den Unternehmensfluren?





„Komplexes in kleinen Portionen / Eigenständige Teams, viel Feedback, kurze Arbeitszyklen – das ist Scrum, die bekannteste agile Entwicklungsmethode für Software. Im Zentrum steht der Scrum-Master, ein Menschenkenner und Motivator …“ so lautete die Überschrift eines umfangreichen Artikels in der Beilage „Beruf und Karriere“ der Süddeutschen Zeitung. Zusammenfassend wird Scrum als „Verfahren zur Prozess- und Zeitoptimierung“ gepriesen, die komplexe Projekte so strukturiert, dass sie schrittweise erledigt werden können. „Jede Aufgabe wird in kleine Häppchen unterteilt, wobei jedes fertige Stück Software eine in sich abgeschlossene Einheit bildet.“

Toll, dass man erst jetzt eine so erfolgversprechende Methode entdeckt. Die müsste sich doch super für ein so wahnsinnig komplexes Unterfangen wie den Bau eines großen Projektes eignen, nehmen wir mal an – einer Herzklinik in Nordrhein-Westfalen. Da war doch schon was? Der WORTWERFER erinnert sich:
Der erste Spatenstich zum Herzzentrum in Bad Oeynhausen geschah im Oktober 1981. Geplant war eine Bauzeit von 57 Monaten. Man rechnete mit rund 140 Mio. DM Baukosten. Aber es kam anders; denn mit kybernetischem Bau-Management gelang es, das Bauwerk bereits in 37 Monaten fertig zu stellen, also 20 Monate früher, und zu 116 Mio DM. Fast 20 Prozent wurden eingespart, nicht gerechnet, dass bereits im November 1984 die erste OP durchgeführt werden konnte. Wie geht denn das? Obwohl es doch noch gar kein Scrum gab? In der Tat war „jedes kleine Häppchen“, also z.B. der Einbau eines Fensters, eine abgeschlossene managementmäßige Leistung, die alle Management-Phasen durchlief: Zielsetzung – Planung – Organisation – Durchführung – Auswertung – Innovation. Somit ein Prozess, der mit „Erfolgskontrolle“ und „Auswertung“ abzuschließen war und in eine Phase der Innovation überleitet. Also zu der Frage: „Was haben wir dabei gelernt? Und was könnten wir noch besser machen?“ Vornehm nennt man das eine Feedback-Schleife. Nach dem Einbau der ersten zwanzig Fenster stieg die Lernkurve steil nach oben. Und so erging es jeden Tag mit jedem Tages-Gewerk. Um 17 Uhr trafen sich regelmäßig alle „Gewerker“ beim Bauleiter zum Tages-Rapport. Dieses Verfahren heißt K.O.P.F. = Kybernetik, Organisation, Planung, Führung. Der konsequenten Umsetzung der Management-Systematik  und kybernetischen Selbstorganisation sind bei zahlreichen weiteren K.O.P.F-Baustellen und hunderten sehr komplexen anderen Produktionsprozessen bedeutsame Zeitgewinne und Kostensenkungen zu verdanken. Scrum folgt wohl diesem altbewährten Prinzip, dessen Logik bereits Thomas von Aquin rühmte.

Aber Logik bestimmt nur in den wenigsten Fällen menschliches Handeln, höchstens „die Logik des Misslingens“, von Dietrich Dörner im Rowohlt Science-TB trefflich beschrieben. Sie beginnt schon damit, dass man sich um klare Ziel-Definitionen herum drückt, weil man dann auch nicht belangt werden kann, wenn die Ziele nicht erreicht worden sind. „Ohne Ziele keine Treffer“ heißt mein erfolgreichstes Management-Fachbuch (3. Auflage bei Kastner, Wolnzach, 14,90 € ISBN13: 978-3-937082-58-5). Da steht alles drin über die Logik des Gelingens.

Fassungslos muss der WORTWERFER ständig erleben, dass Führungskräfte nur im Ausnahmefall in der Lage sind, zu definieren, was Management bedeutet, geschweige denn sich nach dieser Systematik konsequent zu richten. Und stattdessen jeder neuen Sau hinterher zu hecheln, die von teuren Beratern ausgesetzt wird. Dann wird auch aus Scrum das, was heraus kommt, wenn man das Wort von hinten ließt: Murcs. Und ein Flughafen in der vierfachen Zeit und einer Bausumme, die keine Ähnlichkeit mit der geplanten hat. Und leider viele, viele große und kleine vermurkste Projekte.

Übrigens: Auch mancher Urlaub scheitert, weil man sich der eigentlichen Ziele nicht bewusst ist. Mallorca, Teneriffa oder die Malediven sind keine Urlaubsziele. Es sind Mittel, mit deren Hilfe man seine eigentlichen Urlaubsziele erreichen wollte. Vielleicht die falschen? fragt der WORTWERFER. Schönen Urlaub!