Dienstag, 11. August 2015

Die Hohe Schule des kreativen Schreibens




Die Hohe Schule des kreativen Schreibens

Diesmal fordert das Thema alles vom WORTWERFER, und zwar soviel, dass er selbst nicht in der Lage wäre, den ausbedungenen Ansprüchen zu genügen.

Es geht um eine ganz spezielle Hohe Schule kreativen Schreibens, nämlich das Texten von Sommerschlussverkauf-Katalogen. Also von Katalogen, in denen all die Ware angepriesen werden muss, die bisher von potenziellen Käufern geschmäht wurde. Und zwar in den höchsten Tönen, getrieben geradezu von lärmendem Unverständnis, weshalb diese federleichte, superbequeme, superleichte mit Regenschutz und Klimakomfort ausgestattete Ware von hohem Freizeitwert mit einzigartigem Kühlungskomfort durch Powerfasern nunmehr zu SSV-Preisen nochmals angepriesen werden muss. Sozusagen Perlen vor die renitenten Kunden werfen.

Der WORTWERFER hat nur mal einen Moment versucht, sich in die Lage des kreativen Texters zu versetzen, der all diese Hymnen zu verfassen hat. Im Geist verfolgt er diesen armen Kerl oder sei es eine beflissene Texterin, wie er oder sie an den noch üppig gefüllten Regalfächern zusammen mit den Lagerarbeitenden entlang schreitet, um sie zu interviewen. „Warum müssten eigentlich unsere Kunden darauf brennen, gerade diese Badehose zu kaufen? Wie kann ich ihre Vorzüge richtig zur Geltung bringen?“ „Nun, sie ist hautfreundlich, schnelltrocknend, anschmiegsam!“ „Hat sie besonders modischen Schick?“ „Modisch? Nein, sie ist eher retro im Schritt, nein, ich meine im Schnitt, mit den seitlichen Kontrast-Paspelierungen und elastischem Softbund mit Kordelzug. Damit macht man am Strand und am Pool eine gute Figur!“ Supertext. „Aber mal unter uns, ganz im Vertrauen: Ich würde mir diese Lachnummer nicht kaufen!“ Schnappatmen. Gehen wir heldenhaft weiter zum nächsten Regal mit der ultraleichten, schattenspendenden Kappe mit hervorragendem Sonnenschutzfaktor … und weiter … und weiter ….Es müssen noch über 120 Artikel so angedichtet werden, dass Frau oder Mann begeistert zum Telefon greifen.

Das, meine lieben Leserinnen und Leser, erfordert eine ganz andere Klasse von Hoher Schule des kreativen Schreibens. Solche Kräfte werden wohl bei Werbe-Agenturen geradezu als Stars angehimmelt*. Fordert Sie, die Autoren, so eine Aufgabe nicht mehr heraus als die weltweit noch nie geschilderte Art, jemanden umzubringen und dabei über 560 Seiten den pfiffigsten Kommissaren auf der Nase herumzutanzen, unterbrochen von Sex- und Saufszenen mit mafiösem Lokalkolorit? Wahlweise eine ganz neue Galaxis zu erfinden mit gruseligen Monstern, die einer blonden Unschuld nach dem Jungfernhäutchen trachten.

Da ist ein maritimes Poloshirt mit Brusttasche und Zierstickerei, wunderbar glatt, weich, langlebig, formtreu, temperaturausgleichend in kombistarkem Weiß oder Rot, hochwertige Interlock-Qualität, Knopfleiste mit Kontrastverarbeitung, besticktem Ärmelbesatz und Seitenschlitzen, mit fleckabweisendem Lotuseffekt, selbstverständlich maschinenwaschbar, eine ganz andere Herausforderung. In dieser Ausführlichkeit nur annähernd von Martin Walser erreicht, der ein solches achtlos zur Seite geschleudertes Gewand über der lilagestreiften Ottomane in einem von kleingeblümter Tapete beherrschten Vestibül feinsinnig ortet, und so den Blick vom abgetretenen, stellenweise sogar bereits in zerfaserten Fäden zerschlissenen Teppich ablenkt (stark gekürzt).

Wobei der SSV-Katalog-Poet das Bruttosozialprodukt wahrscheinlich wirksamer steigert als ein auf einer Möhre rumkauender, Ideen erflehender eBookler. Vermutet neidvoll der WORTWERFER, der den Sirenenstimmen der kreativen Anpreiserinnen kaum zu widerstehen vermag, zumal es ja noch eine Gratis-LED-Taschenlampe mit 300 m gebündeltem Strahl, Nasa geprüft, Batterien incl., dazu gibt. Nicht auszudenken, man könnte so einen Katalog-Super-Fuzzy mal für den Klappentext eigener Werke gewinnen.
*) Höre gerade, dass mit Vorliebe unbezahlte Praktikanten in diese Hölle geschickt werden.

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