Unsichtbare Wesen
Guten Tag, gestatten dass ich mich Ihnen noch einmal vorstelle:
Mein Name ist Robin Gettup. Ich bin Alltagsphänomenforscher,
in Google vertreten und ständig auf der Suche nach Aufklärung, oder zumindest
nach Mitmenschen, die unter ähnlichen Erscheinungen leiden. Der WORTWERFER hat
mich für die nächsten Wochen engagiert und ich engagiere SIE! Denn vielleicht
wissen Sie mehr. Dann erreichen Sie mich in Facebook unter Werner Hubertus
Siegert. Heute frage ich SIE:
„Glauben Sie auch an unsichtbare Wesen?“
Mit dem Büroklammerfresser werden wir uns demnächst extra
beschäftigen. Die vielfältige Zustimmung, die ich seinerzeit bekam, hat meine
letzten Zweifel beseitigt: Es gibt ihn tatsächlich! Was mich jedoch umtreibt,
ist, dass sich noch mehr unsichtbare Wesen in meinem Office umtreiben. Bei
Ihnen auch?
Also das geht so: Eben
lag noch ein Schriftstück auf meinem Schreibtisch. Ich sehe noch den
Briefkopf deutlich vor mir – und auf
einmal ist es weg! Einfach weg!
Jetzt beginnt natürlich die Sucherei. Das kann ja gar nicht
sein: eben noch da, jetzt weg! Andere Schriftstücke, die ich zur Zeit gar nicht
gebrauchen kann, liegen da und glotzen mich an. Ich wälze den Stoß Papiere um.
Der Brief kann ja nicht weg sein! Er war doch eben noch da! Ich schaue unter
den Schreibtisch, krieche auf dem Boden rum, finde Büroklammern, eine
Visitenkarte, ein kleines Blöckchen Post-it, einen Kugelschreiber. Aber den
Brief natürlich nicht. Es gibt, da muss ich mich jetzt peinlicherweise outen,
noch mehr Papierstapel in meinem Office. Es gibt Körbe für Zeitungsausschnitte,
für die Buchmesse, für den Weißwurst-Knigge, für Unerledigtes, für Buchungs-
und Steuerkram. Kurzum: Bei uns herrscht Ordnung! Ein Griff – und die Sucherei beginnt.
Kann der Brief in die Schublade gerutscht sein? Nein, aber
die muss dringend und sofort aufgeräumt werden. Was da alles drin liegt, habe
ich ganz bestimmt nicht alles reingelegt.
Ich habe inzwischen auch den Papierkorb umgekippt und
Schnipsel für Schnipsel und nicht Erwähnbares erneut entsorgt.
Ich vermute, in irgendeiner Ecke sitzt jetzt grinsend so ein unsichtbarer Kobold mit dem
unsichtbaren Brief in der Hand und lacht
sich kaputt.
Natürlich weiß ich, welchen Tipp Sie und meine Frau mir
jetzt geben: „Überleg doch mal, was du davor gemacht hast! War da eine
Klarsichthülle dabei, wo der Brief hineingerutscht sein könnte? Hast du ihn
mitgegriffen, als du was in die Wiedervorlage gesteckt hast?“
Mitgegriffen? Heiß
und kalt wird mir. Ich werde den Brief doch nicht versehentlich in einen
der Briefumschläge mit hineingestopft haben, die jetzt schon frankiert im
Postkorb liegen? Also alle Kuverts noch mal öffnen, durchsehen. Die Briefmarken
ablösen. Neue Umschläge beschriften. Die nassen Briefmarken mit Klebe wieder
drauf. Nix.
Eine schlaflose Nacht
folgt. Schließlich überzeugen mich die Klar-Träume, die es ja geben soll,
davon, dass genau von diesem Schriftstück mein Überleben abhängt. Ich rufe frühmorgens
die Sekretärin meines Klienten an, gestehe ihr mit hochrotem Kopf, den sie
gottlob nicht sieht, meine mutmaßliche Schlamperei. „Kann ja mal vorkommen; ist doch nicht so schlimm!“ gießt sie mir
Seelenbalsam über mein Haupt und schickt per Fax eine Kopie.
Und welchen Schluss ziehen Sie aus der Tatsache, dass im
selben Augenblick, in dem das Fax aus dem Gerät quillt, der originale Brief
breit und fett auf meinem Schreibtisch liegt? Ich würde mich gern mit Ihnen über diese Begegnungen der 3. Art
austauschen.
PS: Der Brief war doch nicht so wichtig. Weiß jetzt Robin
Gettup
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinterlassen Sie hier bitte Ihren Kommentar