Sonntag, 2. Februar 2014

Mensch oder Mathe? Power oder PowerPoint?





„Und eine Lust ist’s, wie er alles weckt
und stärkt und neu belebt um sich herum.
Wie jede Kraft sich ausspricht, jede Gabe
gleich deutlicher wird in seiner Nähe!
Jedwedem zieht er seine Kraft hervor,
die eigentümliche, und zieht sie groß.
Lässt jeden ganz das bleiben, was er ist.
Wacht nur darüber, dass er’s immer sei,
am rechten Ort; so weiß er aller Menschen
Vermögen zu dem seinigen zu machen.“

Ein Zitat. Von wem hat es der WORTWERFER entliehen? Das wird erst zum Schluss verraten. Auf den Inhalt kommt es an; denn hier wird wahre Führungskunst beschrieben. Führen von was oder wem? Unternehmensführung erfolgt heute, außer in Familien-Unternehmen, kaum noch nach diesen Maximen, sondern nach mathematisch-statistischen Modellen der elitären Kader-Universitäten weltweit, aus denen die Drohnen der teuren Unternehmensberatungen in alle Welt entschwärmt sind und sich nun die Top-Manager der Konzerne und Banken rekrutieren. Die auf der Basis mathematisch-statistischer BWL-Modelle – dargestellt auf einer Flut von PowerPoint-Folien – die Anzahl der zu entlassenden Mitarbeiter (= Kostenfaktoren) bis in die letzte Stelle berechnen lassen. Über das Netz der Modell-Aufsichtsräte hat sich der Virus der mathematischen Unternehmensführung global verbreitet.

Benedikt Herles hat diesen „Schadensbericht aus unseren Chefetagen“ ebenso brillant wie erschütternd in seinem Buch „DIE KAPUTTE ELITE“ erstellt (Knaus-Verlag, 3. Auflage, München 2013). Er selbst hat diese PowerPoint-Karriere nach Business-Universität, Consultant-Elevenzeit plus Praktika und mathematischer Beratungs-Praxis durchlaufen und durchlitten. Er hat erkannt: Diese sich wechselseitig bestätigenden Führungs- und Beratereliten lassen niemanden verkommen – außer den Menschen in ihren Unternehmen.

Im letzten Kapitel, das Herles mit VISION übertitelt, beschreibt er das Wunschbild einer Unternehmensführung, die sich nicht an der BWL-Mathematik, sondern am Menschen orientiert. Aber das hatten wir doch schon mal? Human Resources Development? Meine Frau stutzte bei der Lektüre: „Das hast du doch den Bossen in hunderten Seminaren und Board-Room-Trainings vermittelt! Das steht doch alles in deinen Büchern und Trainings-Handbüchern!“ Ja – in der Tat! kann der WORTWERFER bestätigen.

Wann kam der Sündenfall? Weg mit dem so wenig berechenbaren Menschen! Es sind doch nur noch Bediener von Maschinen, Reste, die noch nicht von Automaten ersetzt werden können. Wieviele solcher Restposten wir brauchen, sagen uns die Algorithmen unserer Modelle.

Wie kommt es, dass die bedeutendste Wertschöpfung, dass die wichtigsten Innovationen in den Klein- und Mittelbetrieben, in den Familien-Unternehmen stattfinden? „Die Zukunft Ihres Unternehmens steckt in den Köpfen Ihres Unternehmens! Nirgends sonst!“ schrieb ich über eine Trainings-Unterlage. Ich war beileibe nicht allein. Die jährlichen Gallup-Reviews haben bestätigt, wie kümmerlich wenige Mitarbeiter vor allem in Großunternehmen wirklich engagiert arbeiten, wie viele stur nach Vorschrift und wie viele sogar destruktiv nach innen und außen wirken.

Die Rückkehr der Moral, die Gary Hamel in seinem Buch „Worauf es jetzt ankommt“ / Erfolgreich in Zeiten kompromisslosen Wandels, brutalen Wettbewerbs und unaufhaltsamer Innovation“ fordert (Wiley VCH, Weinheim 2012) ist bei den Weltunternehmen nicht angekommen. Dafür sorgt das Netzwerk der kaputten Elite.

Das Zitat stammt von Friedrich Schiller: Max Piccolomini rühmt Wallensteins Führungskunst gegenüber seinem Vater und Questenberg (Wallensteins Lager, 1. Aufzug, 4. Auftritt). Mit „Fack ju Schiller!“ lässt sich das nicht abschütteln, meint der WORTWERFER.

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